Ruine in Beit Hanun, August 2014 |
Am 26. August jährt sich das Ende der Militäroperation
„Protective Edge“. Am 08. Juli 2014 begann der Beschuss des Gazastreifens durch
israelische Streitkräfte. Israel erwiderte damit den anhaltenden
Raketenbeschuss der radikalislamischen Hamas aus dem Gazastreifen. Am 26.
August 2014 endete der Konflikt mit einer unbefristeten Waffenruhe zwischen der
Hamas und Israel. Seitdem ist der Gazastreifen eine Trümmerlandschaft. Rund 18.
000 Häuser wurden vollkommen zerstört. Ein Jahr nach Konfliktende beginnt jetzt
der Wiederaufbau. Bislang wurden nur beschädigte Häuser wieder repariert.
Ahmed Abumarahil hat die Ereignisse in seiner Heimat nur über den
Fernsehen gesehen. Seit knapp 1 ½ Jahren lebt er in Deutschland. Mit 19 Jahren verließ Ahmed seine Heimat im
Gazastreifen. Er hat die Chance bekommen, in Deutschland zu studieren. Ein
Privileg in seiner Heimat.
Wie muss man sich das Studieren in Gaza vorstellen?
Die Universitäten in Gaza sind nicht gut. Aber kaum einer kann
zum Studieren ins Ausland. Das wichtigste ist Geld. Und dass man Verwandte in
dem Land hat, in dem man studieren will. Ich habe ein paar Verwandte in
Deutschland. Mein Onkel arbeitet in Mainz als Arzt und mein Großvater ist
Professor an der Universität Marburg. Sie unterstützen mich hier in Deutschland
finanziell. Die wenigsten haben die Möglichkeiten, die ich habe.
Was machen diejenigen, die in Gaza bleiben?
Die Mehrheit in meinem Alter macht nichts. Sie sitzen einfach
auf der Straße. Sie haben keine Chance, etwas in Gaza zu machen.
Woran liegt das?
Weil Gaza besetzt ist und es fast jedes Jahr Krieg mit Israel
gibt. Es gibt dort auch keine Arbeit. Mein Vater zum Beispiel: Er arbeitet seit
drei Jahren nicht mehr. Er ist Ingenieur, aber durch die Handelsblockade von
Israel hat er keine Materialen für seine Arbeit. Selbst diejenigen, die
studiert haben, bekommen keine Arbeit. Die Leute in meinem Alter fragen sich,
warum soll ich dann überhaupt
studieren? Für was denn? Also studiert dort auch
keiner. Das hat schlimme Folgen.
Möchtest du nach dem Studium wieder zurück nach Gaza?
Ich möchte eigentlich zurückgehen, damit ich etwas für mein Land
tun kann. Aber das Reisen nach Gaza ist ein kompliziertes Thema.
Kannst du das genauer erklären?
Alle drei Monate werden die Grenzen in Gaza nur für einen Tag
geöffnet. Wenn ich nach Gaza fliegen wollte, bräuchte ich mindestens vier
Monate, damit ich reinkommen und wieder rausgehen kann. Das ist ein Semester,
das ich verpassen würde.
Wie siehst du die Zukunft deines Landes?
In Gaza kann man nicht leben. Du hast jeden Tag nur für ein paar
Stunden Strom, du findest keine Arbeit und du kannst nicht frei ein- und
ausreisen. Meine Heimatstadt, Al-Nuseirat, liegt in der Mitte des Gazastreifens
und ist im Krieg eigentlich immer sicherer gewesen als Gaza-Stadt im Norden
oder Chan Yunis im Süden. Aber beim Krieg letzten Sommer war meine Region am
schlimmsten betroffen. Es war das erste Mal, dass bei uns Bomben eingeschlagen
sind. Das ist Wahnsinn. Meine Generation will so nicht leben. Ich hoffe, die
Situation wird sich verbessern.
Lage: Der Gazastreifen ist ein Küstengebiet zwischen Israel und
Ägypten. Mit 360 Quadratkilometer ist der Gazastreifen fast so groß wie Köln,
hat aber mit 1,8 Million Einwohnern nahezu doppelt so viele. Die Hauptstadt ist
Gaza-Stadt.
Geschichte: Der Gazastreifen gehört mit dem Westjordanland zu den
Palästinensischen Autonomiegebieten, die seit dem Sechstagekrieg 1967 von
Israel besetzt sind. 2005 zog sich Israel aus der Region zurück, kontrolliert
aber seitdem die Grenzen zu Land, Luft und See. Seit 1964 vertritt die
Palästinensische Befreiungsorganisation (PLO) die Interessen der Palästinenser.
Die beiden stärksten Parteien sind die säkular ausgerichtete Fatah und die
radikalislamische Hamas. Seit 2006 regiert die Fatah im Westjordanland, die
Hamas im Gazastreifen. Der bürgerkriegsähnliche Hamas-Fatah-Konflikt 2007
führte zu einer Spaltung der Palästinensischen Autonomiegebiete. 2014 schlossen
beide Parteien einen Versöhnungspakt, um eine Einheitsregierung zu bilden.
Auslöser des letztjährigen Krieges war die Ermordung von drei israelischen
Jugendlichen und der mutmaßliche Rachemord an einem Palästinenser. Die
Verhandlungen der palästinensischen Parteien zur Bildung einer gemeinsamen
Regierung wurden eingestellt und eine unbefristete Waffenruhe zwischen Israel
und der Hamas festgelegt.
Bild: By B'Tselem [CC BY 3.0], via btselem.org
Bild: By Niklas Feil
Graphik: By Lencer [CC BY-SA 3.0], via Wikimedia Commons