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Sieht so eine typische Roma aus? |
Eine Frau läuft aus der
Universitätsbibliothek und kauft sich beim Bäcker eine Brezel. Sie trägt einen
Rock und eine Bluse. Ihr schwarzes lockiges Haar trägt sie zu einem Zopf.
Hätten Sie die Frau als Sinti und Roma erkannt? Vermutlich nicht.
Eine bettelnde Frau steht mit
ihrem Kind neben einer Bäckerei. Sie trägt einen bunten Rock und ihr schwarzes
Haar trägt sie zu einem Zopf. Hätten Sie die Frau als Sinti und Roma erkannt?
Vermutlich schon.
So oder auf ähnliche Weise hat
sich das verzerrte Bild der Sinti und Roma, abwertend auch Zigeuner genannt, in
unsere Köpfe gebrannt. Doch woher stammen diese Vorurteile?
Diplom Politologe Markus End
entwickelte im Auftrag des Dokumentstations- und Kulturzentrums Deutscher Sinti
und Roma eine Studie über „Antiziganismus in der deutschen Öffentlichkeit. Strategien und Mechanismen medialer Kommunikation“. Der knapp 350 Seiten lange Bericht wurde am 10. Juli in
Berlin veröffentlicht.
Das Ergebnis: Vorurteile über
Sinti und Roma werden von den Medien ständig produziert und verbreitet.
Öffentlich- rechtliche oder Privatsender, FAZ oder Bild, es macht keinen Unterschied. Vorurteile
wären zum Beispiel, Roma tragen bunte Röcke und betteln auf der Straße, sie
leben in riesigen Müllbergen und arbeiten wollen sie ohnehin nicht.
Diskriminierung funktioniert,
aber nicht nur über negative, sondern auch über positive Beispiele erklärt
Markus End: „Sieht man in den Medien arbeitende Roma, wird es so dargestellt,
als sei das etwas Außergewöhnliches. Das ist ebenso diskriminierend wie die
Aussage, alle Roma seien arbeitslos.“
BriefundSiegel im Gespräch mit Markus
End über seine Studie.
Herr End, Sie schreiben in Ihrer
Studie von der Stereotypisierung von Sinti und Roma durch die Medien. Gibt es
noch weitere Instanzen, die dazu beitragen?
Markus End: Die Medien sind
natürlich nicht die einzige Instanz. Es gibt auch in der Literatur, im Film
oder auch in Fernsehserien vielerlei Beispiele für solche ‚Zigeunerbilder‘. Ich
kenne ein Kinderpuzzle, wo das erkennbar ist. Da ist ein Bild von einer Stadt,
mit verschiedenen Leuten, die ihren Berufen nachgehen, es gibt eine Stadtmauer
und einen Fluss und ganz links unten in der Ecke außerhalb der Stadt das ‚Zigeunerlager‘.
Das heißt, die Stereotypen werden tatsächlich über verschiedenste Mittel
transportiert.
Ist die „Unwissenheit“ der
Menschen über Sinti und Roma das Problem des Antiziganismus?
Ich bin gar nicht so sicher, ob
das Unwissenheit ist. Ich glaube, dass es eher um diese verfälschten
Projektionen der Sinti und Roma geht, die nichts mit der Wirklichkeit zu tun
haben. Insofern glaube ich nicht, dass ein größeres Wissen über Sinti und Roma
etwas verbessern, verschlechtern oder verändern würde. Die Nazis, nur als
Extrembeispiel, kannten sich sehr gut mit jüdischen Traditionen und mit der
jüdischen Kultur aus. Aber das hat sie nicht davon abgehalten, Antisemiten zu
sein.
Produzieren und verbreiten die
Medien vorsätzlich antiziganistische Vorurteile oder tun sie es unbewusst?
Rassismus ist ja nichts,
was wir
vorsätzlich
haben. Also Leute die
rassistisch sind, denken
ja, dass diese
Dinge, die
sie da denken, wahr sind.
Zum Beispiel: „Weil diese
Personen‚ Zigeuner‘ sind,
haben sie weniger Lust zu
arbeiten.“ Die Leute verbreiten also
nicht bewusst
Vorurteile und manchen
ist auch nicht klar, dass
das, was sie da
schreiben,
auf Widerspruch stoßen
könnte. Es gibt aber auch
solche, die wissen,
dass
das nicht okay ist, aber
sie schreiben es trotzdem.
Das merkt man dann daran,
dass sie versuchen etwas zu verstecken, oder die eigene Autorenschaft
abstreiten.
Warum wird der Rassismus gegen
Sinti und Roma im Gegensatz zum Rassismus gegen Juden verharmlost?
Ich glaube, der Antisemitismus
ist auch deshalb so stark geächtet, weil er in der Ideologie des
Nationalsozialismus im Vordergrund stand. Der Antiziganismus spielte eigentlich
eine Nebenrolle. Das heißt nicht, dass es bei der Verfolgung große Unterschiede
gab. Beide Gruppen waren letztlich zur Vernichtung vorgesehen, aber trotzdem
spielte in der Ideologie und Propaganda der Antisemitismus eine zentralere
Rolle als der Antiziganismus. Das ist auch der Grund, warum bei der
Aufarbeitung der NS-Zeit der Antisemitismus im Vordergrund stand und stärker
geächtet wurde als der Antiziganismus.
Sie sagen, dass die Nationalität
oder Ethnie nicht genannt werden soll, wenn sie für das Verständnis unerheblich
ist. Nehmen wir aber an, bei bestimmten Verbrechen stellt sich heraus, dass 80
Prozent dieser Verbrechen von Sinti und Roma begangen worden sind. Sollte man
das dann nicht benennen?
Es entspricht ja einfach nicht
der Realität. Als Beispiel: Bei der Bekämpfung der italienischen Mafia stellt
man fest, dass 100 Prozent der angeklagten Mafiosi Katholiken sind. Es sagt
aber niemand, dass man Katholiken bekämpfen muss, weil eben nicht jeder
Katholik ein Mafioso ist. So sehe ich das auch bei Sinti und Roma. Wenn man
feststellen würde, dass eine bestimmte Prozentzahl der Einbrüche von Roma
begangen wird, sagt das nichts über die anderen Roma aus. Wie kommt man also
darauf, dass zwischen beidem ein kausaler Zusammenhang besteht?
Wie sehen sie die Verbreitung von
Vorurteilen in der Zukunft?
Die Bilder sind weit verbreitet
und das hat sich auch nicht groß verändert. Vorurteile werden eher geäußert,
wenn keine gesellschaftliche Ächtung besteht. Die gesellschaftlichen Normen,
was man sagen kann und was nicht, verändern sich langsam zum Besseren, habe ich
den Eindruck. Man kann Sachen nicht mehr sagen, die man vor zehn Jahren noch
sagen konnte. Damals wurde in Presseberichten noch ganz offen von ‚Zigeunern‘
gesprochen.