Freitag, 16. Januar 2015

Das Gespenst der Vorratsdatenspeicherung


Wie viel ist die Privatsphäre heute noch wert?
Eine Woche ist seit dem Anschlag auf das Satire-Magazin Charlie Hebdo vergangen. Frankreich beschäftigt sich mit den Hintergründen der Tat und mit der Frage, ob die französischen Sicherheitskräfte und Geheimdienste nicht mehr hätten tun können, da man doch so viel über die Täter wusste. Auch in Deutschland geht die Angst vor einem terroristischen Anschlag um. Ist unser Geheimdienst in der Lage Anschläge zu verhindern?

Das systematische Abspeichern von Telefon- und Internetdaten auf Vorrat ist in Berlin wieder in aller Munde. Wenn es allein nach der CDU und Innenminister Thomas de Maizière gehen würde, wäre die Vorratsdatenspeicherung schon morgen gesetzlich unter Dach und Fach. Unterstützung erhält die Union von den deutschen Sicherheitsbehörden, die der Meinung sind, dass die Vorratsdatenspeicherung eine höhere Sicherheit gewährleistet.

Die SPD und ihr Justizminister Heiko Maas sind da anderer Meinung und haben Bedenken, dass die Bürger ihrer Freiheitsrechte beraubt werden. „Ich lege keinen Gesetzentwurf vor, bevor der Europäische Gerichtshof endgültig geurteilt hat, ob die Richtlinie die Rechte der EU-Bürger verletzt oder nicht“, sagte er vergangene Woche in einem „Spiegel“- Interview.

Auch ohne Vorratsdatenspeicherung werden der Bevölkerung bereits seit längerem die persönlichen Daten entwendet. Daten werden zunehmend heimlich erhoben und für völlig andere Zwecke verwendet – insbesondere von der Wirtschaft. Dass man die einzelne Person jedes Mal um Erlaubnis bitten müsste, wenn ihre Daten anderweitig verwendet werden, als ursprünglich vorgesehen, interessiert die Wirtschaft reichlich wenig.

Die Datenspeicherung beginnt bereits im Internet, wo Internetseiten mit Hilfe von Cookies Daten über unser Surfverhalten sammeln. Insbesondere die Werbebranche ist daran sehr interessiert. Werbeunternehmen verwandeln diese Daten in Profile und verkaufen sie an die Wirtschaft. Die persönlichen Daten werden also über mehrere Schritte hinweg umgewandelt und zu Geld gemacht. Damit erklärt sich, weshalb vieles im Internet kostenlos zugänglich ist. Man bezahlt nicht mit Geld, sondern mit Daten.

Je mehr Daten, desto besser, denken sich heutzutage nicht nur Google und Co., sondern auch ganze Wirtschaftszweige. Die Erhebung und Verarbeitung von Daten ist die Währung der Zukunft. Generali, einer der größten europäischen Versicherungskonzerne, prüft mit dem sogenannten „Kreditscoring“ die Bonität seiner Kunden. Informationen über Wohnort, Beruf oder regelmäßiges Einkommen entscheiden über die Kreditwürdigkeit jedes Einzelnen. Das Unternehmen geht jetzt noch einen Schritt weiter. Es beschenkt seine Kunden mit Angeboten und Prämien, wenn sie sich nachweislich gesund verhalten. Generali macht das sicherlich nicht aus aufopfernder Nächstenliebe – gesunde Menschen sind für Versicherungen einfach rentabler. Eine App von Generali dokumentiert das Ernährungsverhalten, misst sportliche Aktivitäten oder zählt wie viele Schritte man gegangen ist. Umgekehrt bedeutet das, dass diejenigen, die ihre Privatsphäre wahren und daran nicht teilnehmen, drauf zahlen. Schließen „Scorewerte“ also irgendwann ganze Bevölkerungsgruppen aus? Erhält der weite Strecken zurücklegende Briefträger bessere Konditionen als die sitzende Sekretärin, obwohl sie sich nichts zu Schulden kommen lassen und bisher jeden Kredit zurückgezahlt hat?

Das Bezahlen mit Daten prägt bereits jetzt das Leben jedes Einzelnen und wird auch in Zukunft vermutlich nicht weniger werden. Im Zuge der Vorratsdatenspeicherung bezahlen wir nicht mit Geld, sondern mit unserem Recht frei und unbeobachtet kommunizieren zu können. In Frankreich ist die Vorratsdatenspeicherung bereits seit 2006 gesetzlich verankert. Die Terroranschläge in Paris konnten damit trotzdem nicht verhindert werden. In Deutschland wird das nicht anders sein.



Bild: Patrick Schulze [CC BY-NC-SA 2.0], via Flickr 

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