Sonntag, 29. März 2015

Griechenland: Ein Fass ohne Boden


EU-Parlamentspräsident Martin Schulz (l.) und Griechenlands
Regierungschef Alexis Tsipras (r.):
Griechenland soll im Euro bleiben
Die neue griechische Links-Rechts Regierung ist seit zwei Monaten im Amt. Zur Rettung Griechenlands hat sie noch nicht viel beigetragen. Die alte griechische Regierung wurde abgewählt, weil sie nichts erreicht hatte. Die neue griechische Regierung wurde gewählt, weil sie viel versprochen hat. Vielleicht zu viel.

Drei große Wahlversprechen machte Griechenlands Regierungschef Alexis Tsipras: Beendigung der europäischen Sparpolitik – danach sieht es nicht aus; Steuern bei den ultrareichen griechischen Großfamilien eintreiben – ist in Planung, stellt sich aber als weiterhin schwierig heraus und dauert vermutlich Jahre; Kriegsschulden bei Deutschland einfordern – „Die Frage von Reparationen und Entschädigungszahlungen ist rechtlich und politisch abgeschlossen", sagte Angela Merkels Regierungssprecher Steffen Seibert.

Durch den Zwei-plus-Vier Vertrag (BRD, DDR – Sowjetunion, USA, Großbritannien, Frankreich) von 1990 wurde das Thema Reparationsforderungen für abgeschlossen erklärt und dies auch für dritte Staaten, also auch für Griechenland, verbindlich. Aber der Zwangskredit über 568 Millionen Reichsmark, den die Nationalsozialisten 1942 von den Griechen verlangten, steht noch offen und fällt auch nicht unter die Reparationszahlungen. Nazi-Deutschland begann zwar 1944 mit der Rückzahlung des Kredits, 476 Millionen Reichsmark (heutiger Wert zwischen 7 und 11 Milliarden Euro) stehen allerdings bis heute aus. Ein normaler, nicht zurückgezahlter Kredit müsste den Griechen eigentlich erstattet werden. Die moralische Schuld, hinsichtlich der schweren Kriegsverbrechen in Griechenland, steht außer Frage. Ob man das Thema in der Euro-Krise allerdings jedes Mal wieder aufrollen sollte, wenn das eigene Land gerade wieder knapp bei Kasse ist, ist eine andere Frage.

Griechenland wird demnächst frisches Geld brauchen, denn es muss im Zeitraum April bis Juni 2015 Kredite des IWF und der EZB zurückzuzahlen. Es wird auch in Zukunft immer wieder neue Hilfszahlungen brauchen, wenn es im Euroraum bleiben will. Griechenland wird auch einen weiteren Schuldenschnitt brauchen. Zwei große Schuldenschnitte gab es bereits 2012. Seitdem ist Griechenland nicht wettbewerbsfähiger geworden. Man hat weiter auf Pump gelebt, sodass die Schulden erneut auf Rekordhoch sind. Griechenland wird unter der Sparpolitik und der schwachen Wirtschaft auch in Zukunft nicht wettbewerbsfähig werden. Künftig aufgebaute Schulden müssten dem Land auch wieder erlassen werden.

Wirtschaftlich gesehen wäre ein Austritt aus dem Euro das Beste für Griechenland, meint Hans-Werner Sinn, Chef des Instituts für Wirtschaftsforschung. Die Drachme würde wieder eingeführt werden, die Währung würde gegenüber dem Euro deutlich abgewertet werden. Dadurch würde der Export für Griechenland günstiger werden, weil sich die Waren im Ausland verbilligen. Umgekehrt würden sich die Importe verteuern. Griechenland müsste wieder selbst produzieren, die Wirtschaft könnte wieder neuen Schwung bekommen. Obwohl Griechenland die besten Voraussetzungen für die Landwirtschaft hat, importiert es Millionen Tonen an Lebensmitteln aus der ganzen Welt, weil die Produktionskosten im eigenen Land zu teuer sind. Auch der Tourismus würde neues Geld in die Kassen spülen, da Hotelangebote vom Preis her deutlich wettbewerbsfähiger wären.

Für die Eurozone und die Börsen wäre der Grexit ein kurzer Schock. Entgegen der Meinung des griechischen Finanzministers Varoufakis, die Eurozone würde wie ein Kartenhaus zusammenfallen, ist der Austritt Griechenland nach Finanzexperten für den Euroraum verkraftbar. Griechenland hat mit 2 Prozent des Bruttoinlandsprodukts in der Eurozone wirtschaftlich wenig Bedeutung.

Doch so weit will man es gar nicht kommen lassen. Angela Merkel will Griechenland im Euro halten. Irgendwie. Griechenland wird aus ideologischen Gründen im Euro gehalten. Ein Ausscheiden könnte den Links- und Rechtspopulisten in ganz Europa neuen Aufwind geben und deutsche Regierungsparteien müssten ihren Bürgern dann offiziell erklären, wieso das als gesichert angesehene Geld jetzt doch weg ist. Das macht sich nicht sonderlich gut für die nächste Wahl. Die Hiobsbotschaft könnte aber  ein wenig mit der Tatsache gelindert werden, dass ein Verbleib Griechenlands in der Eurozone noch teurer sein würde. Es ist auch kein Geheimnis mehr, dass Griechenland seine Schulden niemals zurückzahlen kann. Kein Land der Welt kann so hohe Kredite komplett bedienen. Wenn man Griechenland alle Schulden erlässt, besteht aber die Gefahr, dass das nächste europäische Krisenland in Brüssel anklopft und auch gerne die Schulden erlassen bekommen möchte. Ein Auseinanderbrechen des Euro wäre insbesondere für Deutschlands Wirtschaft ungünstig. Das vom Export abhängige Deutschland profitiert hervorragend vom Euro – eigentlich sogar von der Euro-Krise. Als ein Teil der Währungsgemeinschaft sind die Kosten des internationalen Handels stark reduziert und die Wirtschaft kann sich momentan fast zum Nulltarif Kredite geben lassen.

Währenddessen wächst für Griechenland und seine Banken der Schuldenberg weiter ins Unermessliche. Viele Griechen, insbesondere vermögende Griechen, holen ihr Geld von den Banken – geschätzt hundert Millionen Euro täglich. Sie befürchten bei der jetzigen Situation ihres Landes, und einem möglichen Austritt aus dem Euro, einen Verlust ihrer Bankeinlagen. Das Geld wird ins Ausland befördert oder einfach als Bargeld zuhause gehamstert. Für die Banken ein gefährliches Problem, weil sie das von ihren Kunden eingezahlte Geld bereits weiterverliehen haben. Holen in kurzer Zeit zu viele Leute ihr Geld von der Bank, droht der Bank die Pleite. Kann die Bank irgendwann kein Geld mehr an ihre Kunden auszahlen, geht die Panik erst recht los. Aus diesem Grund werden die griechischen Banken seit Längerem von der Europäischen Zentralbank mit Notkrediten beliefert.


Griechenlands Regierungschef Tsipras hat am Freitag ein konkretes Reformprogramm vorgelegt, um neues Geld zu bekommen. Die Kontrolleure der EU-Kommission, der EZB und des IWF prüfen, wie viel Geld die Reformen Griechenland einbringen würden. Dabei soll auch geprüft werden, ob es sich bei den jetzigen Reformvorschlägen mehr als nur um Überschriften handelt und wie schnell diese umgesetzt werden können. Wie schwierig eine Zusammenarbeit mit der griechischen Regierung sein kann, zeigt alleine die Untauglichkeit innerhalb der Regierung, wenn diese nicht einmal weiß, wie der finanzielle Stand der Dinge ist. Der stellvertretende Ministerpräsident Dragasakis gestand im griechischen Fernsehen: „Es stimmt, wir laufen Gefahr, dass uns das Geld ausgeht“. Finanzminister Varoufakis sagte hingegen in der ARD-Sendung von Günther Jauch, es handle sich um „unbedeutende, kleine Liquidätsprobleme“. Und Regierungschef Tsipras äußerte sich ebenfalls im griechischen Fernsehen: „Es gibt absolut kein Liquidätsproblem“. Griechenlands Regierung wurde gewählt, das Land aus der Krise zu befreien. Derzeit sieht es eher danach aus, als würden sie es Schiffbruch erleiden lassen.



Bild: By Martin Schulz [CC BY-NC-ND 2.0], via Flickr

Mittwoch, 18. März 2015

Wahlen in Israel – es geht weiter nach rechts


"Ein großer Sieg für das israelische Volk",jubelt
Wahlgewinner Netanyahu.
Die Realität sieht anders aus
Der alte Premierminister Israels wird der neue sein. Benjamin Netanyahu von der rechten Likud-Partei gewinnt die Wahlen in Israel. Netanyahu hat seinen Wahlkampf mit Panik, Angst und falschen Sicherheitsversprechen bestritten. Offensichtlich hat das gewirkt. 

Anfang März beschwörte er vor dem US-Kongress den Iran als Gefahr für die Welt und warnte drastisch vor den Verhandlungen mit dem Regime in Teheran. Netanyahu warf Präsident Obama vor, dem Iran die Möglichkeit des Baus einer Atombombe zu ermöglichen. Obama will dem Iran eine eingeschränkte und unter internationaler Aufsicht liegende Anreicherung von Uran erlauben. Netanyahus Rede war mit dem Weißen Haus nicht abgesprochen gewesen und die von ihm präsentierten Informationen zu den Iran-Verhandlungen waren ihm von den USA im Vertrauen weitergegeben worden. Netanyahu wollte in der Heimat punkten und hatte es sich mit dem großen Partner USA eher verscherzt.

Vergangene Woche nahm Netanyahu schließlich ultra-rechte Positionen ein, indem er die Gründung eines eigenen Palästinenserstaates völlig ausschloss und für einen massiven Ausbau der Siedlungen im Westjordanland eintrat. Tausende Neubauwohnungen soll es im besetzten Südosten Jerusalems geben. Dort steht die umstrittene jüdische Siedlung Har Homa. Räumungen der besetzten Gebiete oder eine Beendigung der Militärbesatzung des Westjordanlands wird es mit ihm in Zukunft sicher nicht geben. Friedensgespräche mit den Palästinensern wären damit so gut wie unmöglich.

Netanyahu hat zwar gewonnen, doch alleine regieren kann er nicht. Koalieren will er mit rechts-nationalen Parteien und mit den Ultra-Orthodoxen. In ein paar Wochen könnte die Regierung für die 20. Knesset stehen. Erneut mit dabei sind die bisherigen rechts-nationalistischen Parteien von Avigdor Liebermann (Jisra’el Beitenu) und Naftali Bennett (HaBajit haJehudi) und die Ultra-Orthodoxen-Parteien Shas und Yehadut Hatorah. Um die absolute Mehrheit zu erreichen, könnte die neue Partei Kulanu des ehemaligen Likud-Mitglieds Moshe Kahlon als weiterer Koalitionspartner mit ins Boot geholt werden.

Netanyahu hat keine Partei der Mitte mehr nötig. Die Partei seines mitte-links Wahlkampfrivalen Yitzhak Herzog sowieso nicht. Eine Große Koalition kommt für Netanyahu und Herzog nicht in Betracht. Die neue Regierung unter der dritten Amtszeit von Premier Netanyahu könnte also noch rechter werden, als sie es ohnehin schon war.

Dieses Wahlergebnis führt Israel in eine weitere Isolation und in eine politische Sackgasse. Das Verhältnis zu Präsident Obama ist angespannt, die Beziehungen mit Europa werden durch die vorangetriebene Siedlungspolitik immer schwieriger und Friedensgespräche mit den Palästinensern wird es nicht geben.

Israels Regierung muss langsam einsehen, dass die eigene Sicherheit nur mit einem unabhängigen Staat Palästina möglich ist. Auch die Ausweitung der Siedlungspolitik wird unausweichlich dazu führen, dass sich das Verhältnis zu den Palästinensern weiter verschlechtern wird, weil den Palästinensern irgendwann kein Land mehr übrig bleiben wird, auf dem sie ihren eigenen Staat gründen könnten. 

Israel hat gestern gewählt – und zwar gegen den Frieden.


Bild: By Avi1111 [CC BY-SA 4.0], via Flickr

Mittwoch, 11. März 2015

Anekdote

Politiktalkshows – Erkenntnisgewinne versus leere Diskussionen 
Warum sitzen eigentlich immer dieselben Menschen in den Politiktalkshows? Und warum tolerieren manche Moderatoren die vom Mainstream abweichenden Meinungen ihrer Gäste nicht? Und warum ist man meistens hinterher nicht viel schlauer als vorher?

Es gibt gute Redner und schlechte Redner. Der eine ist fernsehgeeignet, der andere macht nicht einmal vor einer Fotokamera eine gute Figur. In Politik-Talkshows kommt es einem so vor, als säßen dort Personen, die eher wegen ihres Fernsehauftretens eingeladen werden, statt ihres Hintergrundwissens zu der entsprechenden Thematik.

In gefühlt jeder zweiten Sendung sitzen Politiker wie Jürgen Trittin, Oskar Lafontaine oder Cem Özdemir, die mehr durch Wahlkampfparolen auffallen, als konstruktive Äußerungen zum Thema der Politiksendung liefern. Politiker haben in Talkshows die Chance, sich ausführlicher über gewisse Themen zu äußern, als die 10 Sekunden in der Tagessschau. Diese Zeit will genutzt werden. Applaus muss generiert werden. Hier werden Wählerstimmen gesammelt!

Da wird von Cem Özdemir beim Thema Islamisten in Deutschland auch mal gegen CDU-Politiker Thomas de Maizière gegrätscht und das Verhältnis der Großen Koalition zur Saudi-arabischen Regierung kritisiert. Ob alle Aussagen dabei stimmen ist nicht wichtig. Auch wenn ein Terrorismusexperte aus der Talkrunde Özdemirs Aussagen revidiert. Der Grünen-Politiker hat seinen Stich gelandet und die politischen Gegner „bloß“ gestellt. Dabei sollte er als Grünen-Politiker doch gerade die CDU, als einzigen Koalitionspartner für die Bundestagswahl 2017, mit dem man auch mal wieder mitregieren dürfte, nicht zwei Jahre zuvor schon vergraulen.

Im Gegensatz dazu hat man als Mitglied der Links-Partei von vornherein einen schlechten Start. Das beste Beispiel war der Besuch von der Linken-Politikerin Sarah Wagenknecht in der Sendung von Markus Lanz im Januar 2014. „Haben sie Angst vor der AFD? Was für ein Europa wollen Sie? Wollen Sie den Euro? Im Ernst. Das doch eine Floskel. Ernsthaft. Das sagen alle. Für oder gegen Europa? Kommen Sie. Für oder gegen Europa?? Für oder gegen Europa???“. Lanz stellte ihr Fragen, ohne die Antwort hören zu wollen. Und wenn, dann hielt er die Aussagen für populistisch und frech. Tapfer von ihr, dass sie in der Sendung geblieben ist.

Gibt man sich in Talkshows als russland-freundlich, ist man direkt unten durch. Vor zwei Wochen wollte die ehemalige ARD-Moskau-Korrespondentin Gabriele Krone-Schmalz sogar die Sendung von Sandra Maischberger verlassen, als sie von allen Seiten der Gesprächsrunde zu ihrer Haltung gegenüber Russland kritisiert wurde. Wo bleibt hier die journalistische Neutralität der Moderatoren?

„Putins Russland – auf dem Weg zur Diktatur?“ fragte Günther Jauch am Sonntag Abend in seiner Politiktalkshow. Wie lebensgefährlich ist es für Oppositionelle nach dem Mord am Politiker Boris Nemzow? Die Sendung fängt direkt unpassend an. Im Einspieler zu Boris Nemzow erfährt man, dass dieser vier Kinder von drei Frauen hat. Die Aussage hätte auch in der Klatsch-Zeitschrift Die Bunte stehen können. Auch die Frage, ob Reingoldowitsch Koch, früher Vize-Ministerpräsident Russlands, sich sein Portemonnaie durch Korruptionsgelder gefüllt hat, führte vom Thema weg und wirkte irgendwie deplatziert.

Auch bei Jauch ist die Welt nicht grau, sondern schwarz-weiß. Der Titel der Sendung hätte auch „Putin böse: ja/nein“ heißen können. Der einzige konstruktive Vorschlag kam von Matthias Platzeck, Vorsitzender des Deutsch-Russischen Forums, der sich für eine Visa-Freiheit für Russen einsetzte. Völkerverständigung durch Reisen, statt Isolierung durch Reisebehinderung.


Danach wurde die Diskussion nicht wesentlich produktiver. Jauch beendete die Sendung mit der Aussage, dass verschiedene Seiten denselben Sachverhalt völlig unterschiedlich beurteilen würden. Und was ist daran neu? Hinterher ist man eben doch nicht immer schlauer.



Bild: By IFRC [BY-NC-ND 2.0], via Flickr