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EU-Parlamentspräsident Martin Schulz (l.) und Griechenlands Regierungschef Alexis Tsipras (r.): Griechenland soll im Euro bleiben |
Die neue griechische Links-Rechts
Regierung ist seit zwei Monaten im Amt. Zur Rettung Griechenlands hat sie noch
nicht viel beigetragen. Die alte griechische Regierung wurde abgewählt, weil
sie nichts erreicht hatte. Die neue griechische Regierung wurde gewählt, weil
sie viel versprochen hat. Vielleicht zu viel.
Drei
große Wahlversprechen machte Griechenlands Regierungschef Alexis Tsipras:
Beendigung der europäischen Sparpolitik – danach sieht es nicht aus; Steuern bei
den ultrareichen griechischen Großfamilien eintreiben – ist in Planung, stellt
sich aber als weiterhin schwierig heraus und dauert vermutlich Jahre;
Kriegsschulden bei Deutschland einfordern – „Die
Frage von Reparationen und Entschädigungszahlungen ist rechtlich und politisch
abgeschlossen", sagte Angela Merkels Regierungssprecher Steffen Seibert.
Durch
den Zwei-plus-Vier Vertrag (BRD, DDR – Sowjetunion, USA, Großbritannien,
Frankreich) von 1990 wurde das Thema Reparationsforderungen für abgeschlossen
erklärt und dies auch für dritte Staaten, also auch für Griechenland,
verbindlich. Aber der Zwangskredit über 568 Millionen Reichsmark, den die Nationalsozialisten
1942 von den Griechen verlangten, steht noch offen und fällt auch nicht unter die
Reparationszahlungen. Nazi-Deutschland begann zwar 1944 mit der Rückzahlung des
Kredits, 476 Millionen Reichsmark (heutiger Wert zwischen 7 und 11 Milliarden
Euro) stehen allerdings bis heute aus. Ein normaler, nicht zurückgezahlter
Kredit müsste den Griechen eigentlich erstattet werden. Die moralische Schuld, hinsichtlich
der schweren Kriegsverbrechen in Griechenland, steht außer Frage. Ob man das
Thema in der Euro-Krise allerdings jedes Mal wieder aufrollen sollte, wenn das
eigene Land gerade wieder knapp bei Kasse ist, ist eine andere Frage.
Griechenland wird demnächst
frisches Geld brauchen, denn es muss im Zeitraum April bis Juni 2015 Kredite
des IWF und der EZB zurückzuzahlen. Es wird auch in Zukunft immer wieder neue
Hilfszahlungen brauchen, wenn es im Euroraum bleiben will. Griechenland wird
auch einen weiteren Schuldenschnitt brauchen. Zwei große Schuldenschnitte gab
es bereits 2012. Seitdem ist Griechenland nicht wettbewerbsfähiger geworden.
Man hat weiter auf Pump gelebt, sodass die Schulden erneut auf Rekordhoch sind.
Griechenland wird unter der Sparpolitik und der schwachen Wirtschaft auch in
Zukunft nicht wettbewerbsfähig werden. Künftig aufgebaute Schulden müssten dem
Land auch wieder erlassen werden.
Wirtschaftlich gesehen wäre ein
Austritt aus dem Euro das Beste für Griechenland, meint Hans-Werner Sinn, Chef
des Instituts für Wirtschaftsforschung. Die Drachme würde wieder eingeführt
werden, die Währung würde gegenüber dem Euro deutlich abgewertet werden.
Dadurch würde der Export für Griechenland günstiger werden, weil sich die Waren
im Ausland verbilligen. Umgekehrt würden sich die Importe verteuern.
Griechenland müsste wieder selbst produzieren, die Wirtschaft könnte wieder
neuen Schwung bekommen. Obwohl Griechenland die besten Voraussetzungen für die
Landwirtschaft hat, importiert es Millionen Tonen an Lebensmitteln aus der
ganzen Welt, weil die Produktionskosten im eigenen Land zu teuer sind. Auch der
Tourismus würde neues Geld in die Kassen spülen, da Hotelangebote vom Preis her
deutlich wettbewerbsfähiger wären.
Für die Eurozone und die Börsen
wäre der Grexit ein kurzer Schock. Entgegen der Meinung des griechischen
Finanzministers Varoufakis, die Eurozone würde wie ein Kartenhaus
zusammenfallen, ist der Austritt Griechenland nach Finanzexperten für den
Euroraum verkraftbar. Griechenland hat mit 2 Prozent des Bruttoinlandsprodukts
in der Eurozone wirtschaftlich wenig Bedeutung.
Doch so weit will man es gar
nicht kommen lassen. Angela Merkel will Griechenland im Euro halten. Irgendwie.
Griechenland wird aus ideologischen Gründen im Euro gehalten. Ein Ausscheiden
könnte den Links- und Rechtspopulisten in ganz Europa neuen Aufwind geben und
deutsche Regierungsparteien müssten ihren Bürgern dann offiziell erklären,
wieso das als gesichert angesehene Geld jetzt doch weg ist. Das macht sich
nicht sonderlich gut für die nächste Wahl. Die Hiobsbotschaft könnte aber ein wenig mit der Tatsache gelindert werden,
dass ein Verbleib Griechenlands in der Eurozone noch teurer sein würde. Es ist
auch kein Geheimnis mehr, dass Griechenland seine Schulden niemals zurückzahlen
kann. Kein Land der Welt kann so hohe Kredite komplett bedienen. Wenn man
Griechenland alle Schulden erlässt, besteht aber die Gefahr, dass das nächste
europäische Krisenland in Brüssel anklopft und auch gerne die Schulden erlassen
bekommen möchte. Ein Auseinanderbrechen des Euro wäre insbesondere für
Deutschlands Wirtschaft ungünstig. Das vom Export abhängige Deutschland
profitiert hervorragend vom Euro – eigentlich sogar von der Euro-Krise. Als ein
Teil der Währungsgemeinschaft sind die Kosten des internationalen Handels stark
reduziert und die Wirtschaft kann sich momentan fast zum Nulltarif Kredite
geben lassen.
Währenddessen wächst für
Griechenland und seine Banken der Schuldenberg weiter ins Unermessliche. Viele
Griechen, insbesondere vermögende Griechen, holen ihr Geld von den Banken – geschätzt
hundert Millionen Euro täglich. Sie befürchten bei der jetzigen Situation ihres
Landes, und einem möglichen Austritt aus dem Euro, einen Verlust ihrer
Bankeinlagen. Das Geld wird ins Ausland befördert oder einfach als Bargeld zuhause
gehamstert. Für die Banken ein gefährliches Problem, weil sie das von ihren
Kunden eingezahlte Geld bereits weiterverliehen haben. Holen in kurzer Zeit zu
viele Leute ihr Geld von der Bank, droht der Bank die Pleite. Kann die Bank
irgendwann kein Geld mehr an ihre Kunden auszahlen, geht die Panik erst recht los.
Aus diesem Grund werden die griechischen Banken seit Längerem von der
Europäischen Zentralbank mit Notkrediten beliefert.
Griechenlands Regierungschef
Tsipras hat am Freitag ein konkretes Reformprogramm vorgelegt, um neues Geld zu
bekommen. Die Kontrolleure der EU-Kommission, der EZB und des IWF prüfen, wie viel Geld
die Reformen Griechenland einbringen würden. Dabei soll auch geprüft werden, ob
es sich bei den jetzigen Reformvorschlägen mehr als nur um Überschriften
handelt und wie schnell diese umgesetzt werden können. Wie schwierig eine
Zusammenarbeit mit der griechischen Regierung sein kann, zeigt alleine die
Untauglichkeit innerhalb der Regierung, wenn diese nicht einmal weiß, wie der finanzielle
Stand der Dinge ist. Der stellvertretende Ministerpräsident Dragasakis gestand
im griechischen Fernsehen: „Es stimmt, wir laufen Gefahr, dass uns das Geld
ausgeht“. Finanzminister Varoufakis sagte hingegen in der ARD-Sendung von
Günther Jauch, es handle sich um „unbedeutende, kleine Liquidätsprobleme“. Und
Regierungschef Tsipras äußerte sich ebenfalls im griechischen Fernsehen: „Es
gibt absolut kein Liquidätsproblem“. Griechenlands Regierung wurde gewählt, das
Land aus der Krise zu befreien. Derzeit sieht es eher danach aus, als würden sie
es Schiffbruch erleiden lassen.
Bild: By Martin Schulz [CC BY-NC-ND 2.0], via Flickr
Bild: By Martin Schulz [CC BY-NC-ND 2.0], via Flickr