Mittwoch, 11. März 2015

Anekdote

Politiktalkshows – Erkenntnisgewinne versus leere Diskussionen 
Warum sitzen eigentlich immer dieselben Menschen in den Politiktalkshows? Und warum tolerieren manche Moderatoren die vom Mainstream abweichenden Meinungen ihrer Gäste nicht? Und warum ist man meistens hinterher nicht viel schlauer als vorher?

Es gibt gute Redner und schlechte Redner. Der eine ist fernsehgeeignet, der andere macht nicht einmal vor einer Fotokamera eine gute Figur. In Politik-Talkshows kommt es einem so vor, als säßen dort Personen, die eher wegen ihres Fernsehauftretens eingeladen werden, statt ihres Hintergrundwissens zu der entsprechenden Thematik.

In gefühlt jeder zweiten Sendung sitzen Politiker wie Jürgen Trittin, Oskar Lafontaine oder Cem Özdemir, die mehr durch Wahlkampfparolen auffallen, als konstruktive Äußerungen zum Thema der Politiksendung liefern. Politiker haben in Talkshows die Chance, sich ausführlicher über gewisse Themen zu äußern, als die 10 Sekunden in der Tagessschau. Diese Zeit will genutzt werden. Applaus muss generiert werden. Hier werden Wählerstimmen gesammelt!

Da wird von Cem Özdemir beim Thema Islamisten in Deutschland auch mal gegen CDU-Politiker Thomas de Maizière gegrätscht und das Verhältnis der Großen Koalition zur Saudi-arabischen Regierung kritisiert. Ob alle Aussagen dabei stimmen ist nicht wichtig. Auch wenn ein Terrorismusexperte aus der Talkrunde Özdemirs Aussagen revidiert. Der Grünen-Politiker hat seinen Stich gelandet und die politischen Gegner „bloß“ gestellt. Dabei sollte er als Grünen-Politiker doch gerade die CDU, als einzigen Koalitionspartner für die Bundestagswahl 2017, mit dem man auch mal wieder mitregieren dürfte, nicht zwei Jahre zuvor schon vergraulen.

Im Gegensatz dazu hat man als Mitglied der Links-Partei von vornherein einen schlechten Start. Das beste Beispiel war der Besuch von der Linken-Politikerin Sarah Wagenknecht in der Sendung von Markus Lanz im Januar 2014. „Haben sie Angst vor der AFD? Was für ein Europa wollen Sie? Wollen Sie den Euro? Im Ernst. Das doch eine Floskel. Ernsthaft. Das sagen alle. Für oder gegen Europa? Kommen Sie. Für oder gegen Europa?? Für oder gegen Europa???“. Lanz stellte ihr Fragen, ohne die Antwort hören zu wollen. Und wenn, dann hielt er die Aussagen für populistisch und frech. Tapfer von ihr, dass sie in der Sendung geblieben ist.

Gibt man sich in Talkshows als russland-freundlich, ist man direkt unten durch. Vor zwei Wochen wollte die ehemalige ARD-Moskau-Korrespondentin Gabriele Krone-Schmalz sogar die Sendung von Sandra Maischberger verlassen, als sie von allen Seiten der Gesprächsrunde zu ihrer Haltung gegenüber Russland kritisiert wurde. Wo bleibt hier die journalistische Neutralität der Moderatoren?

„Putins Russland – auf dem Weg zur Diktatur?“ fragte Günther Jauch am Sonntag Abend in seiner Politiktalkshow. Wie lebensgefährlich ist es für Oppositionelle nach dem Mord am Politiker Boris Nemzow? Die Sendung fängt direkt unpassend an. Im Einspieler zu Boris Nemzow erfährt man, dass dieser vier Kinder von drei Frauen hat. Die Aussage hätte auch in der Klatsch-Zeitschrift Die Bunte stehen können. Auch die Frage, ob Reingoldowitsch Koch, früher Vize-Ministerpräsident Russlands, sich sein Portemonnaie durch Korruptionsgelder gefüllt hat, führte vom Thema weg und wirkte irgendwie deplatziert.

Auch bei Jauch ist die Welt nicht grau, sondern schwarz-weiß. Der Titel der Sendung hätte auch „Putin böse: ja/nein“ heißen können. Der einzige konstruktive Vorschlag kam von Matthias Platzeck, Vorsitzender des Deutsch-Russischen Forums, der sich für eine Visa-Freiheit für Russen einsetzte. Völkerverständigung durch Reisen, statt Isolierung durch Reisebehinderung.


Danach wurde die Diskussion nicht wesentlich produktiver. Jauch beendete die Sendung mit der Aussage, dass verschiedene Seiten denselben Sachverhalt völlig unterschiedlich beurteilen würden. Und was ist daran neu? Hinterher ist man eben doch nicht immer schlauer.



Bild: By IFRC [BY-NC-ND 2.0], via Flickr

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