Der ewige Streitpunkt im Nahost-Konflikt: Tempelberg in Jerusalem |
Eine der Hauptursachen für
scheiternde Friedensgespräche im Nahost- Konflikt und stetig neu entfachte
Gewaltherde ist der scheinbar niemals endende Streit um die Stadt Jerusalem. Die
Angriffe auf orthodoxe Juden nahe einer Religionsschule und der Anschlag auf
eine Synagoge in den letzten Wochen haben gezeigt, dass Religion im Nahost- Konflikt
wohl doch eine sehr entscheidende Rolle spielt.
Für die Muslime ist Jerusalem
nach den beiden Städten Mekka und Medina in Saudi- Arabien der drittheiligste
Ort des Islams. Eine besondere Bedeutung hat der Tempelberg mit den beiden
Heiligtümern des Felsendoms und der al-Aqsa Moschee. Hier auf dem Tempelberg
soll der Überlieferung nach der Prophet Mohammed in den Himmel aufgestiegen
sein. Auch für die jüdische Tradition spielt der Tempelberg eine besondere
Rolle. Hier soll König David die Stämme Israels vereint haben und König Salomo
den ersten Tempel erbaut haben, von dem heute noch die Westmauer, besser
bekannt als Klagemauer, erhalten ist.
National-religiöse und
rechtsextreme Juden wollen ihren Anspruch auf den Tempelberg geltend machen,
indem sie versuchen historische Fakten zu schaffen. Mitten im palästinensischen
Stadtviertel „Silwan“ in Ost- Jerusalem betreibt die israelische
Altertumsbehörde seit den 1970er Jahren archäologische Ausgrabungen. Hier soll
sich das alte Jerusalem, auch City of David genannt, befinden. Unterstützt werden die Ausgrabungsprojekte von der
rechtsgerichteten, jüdischen Siedlerorganisation Elad. 2005 fanden Archäologen Reste einer Mauer, die sie zu einer
Ecke des alten Palasts zuordneten. Seitdem wird unter den Häusern der
Palästinenser stetig weiter gegraben. Damit ungestört gearbeitet werden kann,
werden die Häuser den Palästinenser entweder abgekauft, abgerissen, oder es
kommen neue Wohnungen für Elad- treue
Siedler hinzu. Der Stadtteil heißt mittlerweile „Ir David“ (Stadt Davids) und
nicht mehr „Silwan“.
Die national-religiösen Parteien
Israels sympathisieren mit den verschiedenen Siedlerbewegungen und sehen sich
als ihre parlamentarische Vertretung in der Knesset. Schaut man sich die
Sitzverteilung der letzten beiden Knesset-Wahlen an, kann man erkennen, dass
die national-religiösen Parteien einen Aufschwung erhalten. In der jetzigen 19. Knesset sind drei national-/ultrareligiöse Parteien vertreten: HaBayit HaYehudi, Shas und United Torah Judaism. Bei der Wahl 2013 erreichten diese
Parteien 30 Sitze von insgesamt 120. Bei der Wahl zur 18. Knesset erreichten
die religiösen Parteien noch 19 Sitze. Der stärker werdende Einfluss der religiösen Parteien ist
ein großes Problem bei Konfliktlösungen. Tiefe Religiosität geht Hand in Hand mit
tiefem Argwohn gegenüber den Palästinensern. Die in der Zweistaaten-Lösung
angestrebte Teilung der heiligen Stadt Jerusalem ist nicht verhandelbar.
Ultraorthodoxe Juden gehen zum
Beten aus religiösen Gründen nur an die Klagemauer und nicht auf das Plateau
des Tempelbergs. National-religiöse Juden hingegen gehen bewusst auf den
Tempelberg und bekräftigen damit ihren Anspruch auf ihn. Auch Knesset-Abgeordnete, wie
Moshe Feiglin von der rechten Regierungspartei Likud, besuchten in den letzten
Wochen den Tempelberg, um das gespannte Verhältnis weiter zu reizen. Szenen wie
diese kennt man bereits aus dem Jahr 2000. Der provokante Besuch auf dem
Tempelberg von Israels ehemaligem Ministerpräsident Ariel Sharon, zu dieser
Zeit noch Oppositionsführer, wurde schließlich zu einem der Auslöser der Zweiten Intifada.
Der Tempelberg ist kein
Hoheitsgebiet Israels, sondern untersteht der Waqf; eine islamische Stiftung
mit Kontrolle und
Verwaltung der aktuellen islamischen Bauten.
Israel hat stets betont, an dem Status quo des Tempelbergs nichts ändern zu
wollen. Die jüngsten Ereignisse sagen etwas anderes. Infolge der Ausschreitungen
und der Mordserien an Israelis in den letzten Wochen, wurde der Tempelberg nach
über zehn Jahren wieder komplett abgesperrt. Muslime durften einen Tag lang nicht
zur al-Aqsa Moschee und zum Felsendom hinauf.
Was folgte war ein Aufschrei in
der muslimischen Welt und die Angst, dass Israel den Status des Tempelbergs doch
verändern will. Szenarien wie diese sind ein Grund den Hass in diesem Konflikt weiter
zu schüren. Auch für Israels Premier Benjamin Netanjahu wird es eng. Die
Forderungen von den religiösen und rechten Extremisten, für Juden endlich neue
Rechte für den Tempelberg zu billigen, werden immer lauter. Die zukünftigen
Entwicklungen werden zeigen, ob sich der politische Konflikt zu einem
religiösen Konflikt entfalten wird. Es ist eine traurige Ironie, dass der Friedensprozess
zum Scheitern verurteilt ist, weil sich die selbst als säkular bezeichnenden
Parteien immer wieder über dasselbe religiöse Problem stolpern.
Bild: By Godot 13 [CC BY-SA 3.0], via Wikimedia Commons
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen