Schusswaffen, Kunst & der
Jungbusch
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Beliebt und berüchtigt - Der Jungbusch/Mannheim |
Der Jungbusch - das Viertel in
Mannheims Innenstadt in das man sich besser nur mit Schutzweste hineinwagt oder
es am besten erst gar nicht betritt. Viele Vorurteile kursieren um das kleine
Quartier am Verbindungskanal zwischen Neckar und Rhein. Manche davon sind wahr,
manche sind es nicht.
Der Jungbusch zählte bis in die
1920er Jahre zu einem der bedeutendsten Handelsplätze im Mannheimer
Industriehafen. Mit der zunehmenden Containerverschiffung verlor der kleine
Verbindungskanal am Jungbusch zunehmend an Bedeutung und die großen Schiffe
blieben fern. Folglich fehlten auch die Schiffer und Kapitäne, die bis dahin
den Jungbusch belebten. Der Jungbusch musste sich eine neue Einnahmequelle suchen und fand diese
im vermeintlich ältesten Gewerbe der Welt - der Prostitution. Auch die
Stationierung der US- amerikanischen Soldaten nach Ende des 2. Weltkriegs
förderte die Entwicklung des Jungbuschs als Rotlichtviertel.
In den 60er Jahren fungierte der
Rhein- Neckar- Raum als traditioneller Industriestandort als Pull- Faktor für die Zuwanderung von Arbeitsmigranten. Der Jungbusch galt als Auffangbecken
für Migranten der ersten Generation, da die Wohnungen hier sehr billig waren.
Der Grund dafür war, dass der Jungbusch von den Bombardierungen Mannheims im 2.
Weltkrieg weitgehend verschont geblieben war. Die Wohnungen wurden Jahrzehnte
lang nicht saniert, da große Teile der Stadt erst wieder neuaufgebaut werden
mussten. Noch bis heute prägen die Migranten das Bild des Jungbuschs und sind
mit einem Einwohneranteil von zwei Drittel klar in der Mehrheit.
Seit Anfang des Jahrtausends
erhält der Jungbusch von Europa, vom Bund und von der Stadt Mannheim
Fördergelder in mehrstelliger Millionenhöhe. Das Image des Viertels als
Rotlichtmilieu und Drogenumschlagsplatz soll durch Modernisierungsmaßnahmen und
unter Einbeziehung der Einwohner aufgewertet werden, damit sich neue
Unternehmen wieder ansiedeln und Geld in die Stadtkasse gespült wird. Eines
dieser Vorhaben wurde mit der Popakademie Baden- Württemberg und dem Musikpark,
einem Existenzgründerzentrum für junge, kreative Nachwuchskünstler,
verwirklicht.
Auch die Umgestaltung der
stillgelegten Kauffmannmühle zu einem Gebäude mit überteuerten Wohnungen (ca. 3000 Euro pro Quadratmeter)
und Showrooms für die etablierte Künstlerszene tragen ihren Teil zum
Imagewechsel des Jungbuschs bei.
Linke Gruppen haben allerdings in
der Vergangenheit mit Demonstrationen und Häuserbesetzungen versucht auf die
negativen Konsequenzen aufmerksam zu machen. Sie prangen vor allem die im
Jungbusch angesiedelte Musik- und Kunstindustrie an, die durch ihre
Kommerzialisierung einen Ausverkauf des Viertels und die Verdrängung der sozial
schwächeren Gruppen vorantreibt.
Die Studentenwohnheime der
Popakademie, die Künstlervereine und der Rest des Jungbuschs sind zwar nah
beieinander, aber sozialräumlich sehr getrennt. Hinter der Aufwertung des
Viertels stehen große Initiativen mit hohen Investitionen. Die einzigen die
davon allerdings nicht profitieren sind die Anwohner; und das sind größtenteils
die Migranten.
In einem Gespräch mit der Halb-
Amerikanerin und original „Jungbuschlerin“ Jane Robinson erzählt diese, dass
sie es als positiv empfindet, dass die Studenten wieder frischen Wind in den
Jungbusch bringen und sich das Bild des Viertels zunehmend verbessert. Trotzdem
stören sie die erhöhten Mieten und dass an manchen Ecken einfache Kneipen
gehoberen Lokalen weichen müssen.
Auch die folgende Aussage der
Geschäftsführerin eines Kunstvereins in der Hafenstraße wirft Zweifel über den
Imagewandel des Viertels auf:
„Wir zeigen zeitgenössische
experimentelle Kunst im bildenden und darstellenden Bereich. Das ist nichts, was
jetzt direkt mit den Bewohnern die hier sind zu tun hat und von daher eben auch
ganz andere Menschen hierher zieht.“
Es stellt sich die Frage, was möchte
man aus dem Jungbusch eigentlich machen? Will man hier das Image gemeinsam mit
den „Ureinwohner“ und den Migranten verbessern, oder will man so lange die Mieten
erhöhen und Kunsttätigkeiten ansiedeln bis nur noch eine entsprechendes
Klientel hier lebt? (Stichwort: Gentrifizierung)
Original „Jungbuschlerin“ Jane
Robinson glaubt nicht daran, dass der Jungbusch mit seinem multikulturellen
Flair ausstirbt. Und falls doch, tut sich mit Sicherheit irgendwo anders ein
neuer Jungbusch auf. Eine interessante Sichtweise und auch gar nicht so
unwahrscheinlich. Vor ein paar Jahren
zum Beispiel galt man noch als hip und cool wenn man nach Berlin- Kreuzberg zog. Mittlerweile liegt
man im Trend, wenn man in Neukölln wohnt. Darüberhinaus gibt es dort auch
billigere Wohnungen; doch wer weiß wie lange noch.
Und was kommt danach? Ist es
irgendwann hip und cool ins Märkische Viertel oder nach Marzahn zu ziehen und
dort die ursprünglichen Einwohner mit überteuerten Mieten zu verjagen? Und wo
ziehen eigentlich diejenigen hin, die die immer weiter steigenden Mieten in den
Vierteln nicht mehr bezahlen können? Diese Frage bleibt offen.
Letzten Freitag um 17 Uhr wurden
im Jungbusch bei Auseinandersetzungen zwischen verschiedener Gruppen mehrere Personen verletzt. Laut Polizei gab es
11 Verletzte, vier davon mussten ins Krankenhaus eingeliefert werden. Bei den
Kämpfen wurde nach Zeugenaussagen auch von Schusswaffen Gebrauch gemacht.
Also doch wieder mit Schutzweste
zur Kunstvernissage gehen oder gar nicht erst den Jungbusch betreten?
Der Jungbusch und seine Bewohner vollziehen
zurzeit einen Wandel der bei falscher Handhabung auch schief gehen kann.
Vielleicht sollte man irgendwann aufhören jede Gegend so umzugestalten, dass
nur noch Menschen mit viel Geld dort leben können. Manche Gegenden wie der
Jungbusch haben ihren Charme doch auch, wenn man sie einfach lässt wie sie
sind. Verrucht, auch ein bisschen dreckig, aber schön.
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